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27. März 2015
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Bericht zur Weiterentwicklung von Kirche und Staat
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Acht Leitsätze als Basis für die Totalrevision des Kirchengesetzes

Der Regierungsrat will das Verhältnis des Kantons zu den drei Landeskirchen weiterentwickeln und das dazugehörige Kirchengesetz anhand von acht Leitsätzen totalrevidieren. Dies ist die Quintessenz eines Berichts des Regierungsrates, den Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor Christoph Neuhaus heute (27.3.2015) den Medien vorgestellt hat. Der Bericht basiert auf einer im Jahr 2014 erstellten externen Studie. Die Autoren empfehlen, die Verflechtung von Kirche und Staat stufenweise zu lockern und den Landeskirchen mehr Autonomie einzuräumen. Ein Teil des historisch gewachsenen Staatskirchenrechts sei nicht mehr zeitgemäss. Der Grosse Rat wird den Bericht in der Septembersession 2015 zur Kenntnis nehmen.

Rechtsanwalt Rudolf Muggli und Ökonom Michael Marti haben am 27. März 2015 ihre Studie zum Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern vorgestellt. Der im Auftrag des Regierungsrates im Jahr 2014 erstellte Bericht zeigt auf, wie sich das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im Kanton Bern entwickelt hat, welche Leistungen die Kirchen erbringen und wie diese Leistungen finanziert werden. Zudem analysiert der Bericht die staatlich vorgegebenen Organisationsstrukturen von heute und macht Vorschläge, was daran verbessert werden könnte. Die Studie beleuchtet  auch die Rolle, die das staatliche Anerkennungssystem spielt, zeigt wie es funktioniert und wie es den heutigen Herausforderungen angepasst werden könnte.

Historisch gewachsene Verflechtungen

Die Autoren kommen zum Schluss, dass die historisch gewachsene, enge Verflechtung der Landeskirchen mit dem Staat im Kanton Bern eine neue rechtliche Basis braucht. So seien einige Elemente des heutigen Staatskirchenrechts nicht mehr ganz zeitgemäss. Die enge Verbindung sollte aus Sicht der Autoren deshalb stufenweise gelockert und im Gegenzug den Landeskirchen mehr Autonomie und Verantwortung eingeräumt werden. Mit geeigneten Mitteln sei auch eine Partnerschaft zwischen dem Staat und anderen, kleineren und teilweise neuen religiösen Gruppierungen zu suchen. Nötig erscheint den Autoren schliesslich mehr Transparenz bei der Unterstützung der Religionsgemeinschaften.

Regierung formuliert acht Leitsätze mit Reformvorschlägen

Regierungsrat Christoph Neuhaus stellte gleichzeitig den Bericht des Regierungsrates über das Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern vor, der auf der Studie Muggli/Marti basiert. Der Regierungsrat hat aus dieser Studie seine politischen Schlussfolgerungen gezogen und in acht Leitsätzen Reformvorschläge für eine Weiterentwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat im Kanton Bern formuliert. Im Wesentlichen schliesst sich der Regierungsrat der Empfehlung der Studie an, das Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern sei weiterzuentwickeln. Dieser Schritt soll über eine Totalrevision des siebzigjährigen Kirchengesetzes geschehen.

Kirchen sollen mehr Autonomie erhalten

Mit der geplanten Revision soll das Anstellungsverhältnis der Geistlichen auf die Landeskirchen übertragen und für deren Finanzierung ein neues System ausgearbeitet werden. Das revidierte Gesetz soll die historischen Ansprüche der Landeskirchen respektieren, aber auch den berechtigten Interessen des Kantons Rechnung tragen, indem es insbesondere dessen finanziellen Handlungsspielraum erweitert. Regierungsrat Neuhaus betonte denn auch, dass der Wert der von den Landeskirchen erbrachten gesellschaftlich relevanten Leistungen die Beiträge des Staates deutlich übersteigt: «Die Kirchen sind ihr Geld wert. Sie sind wichtige Partner des Kantons. Eine strikte Trennung von Kirche und Staat ist deshalb nicht angebracht. Hingegen macht eine Stärkung der Autonomie der Kirchen durchaus Sinn. Diesen Weg möchte die Regierung im Dialog mit den Landeskirchen und mit klaren Leitplanken gehen.»

Bericht geht zur Kenntnisnahme in die Septembersession des Grossen Rats

Der Bericht wird dem Grossen Rat in der Septembersession 2015 vorgelegt. Die Synoden der Landeskirchen erhalten aufgrund ihres Vorberatungs- und Antragsrecht Gelegenheit, sich zu Handen des Grossen Rates vorgängig dazu zu äussern. Diese Stellungnahmen werden bis Ende Juni 2015 vorliegen. Der Grosse Rat kann den Bericht mit Planungserklärungen ergänzen. Vorberaten wird er von der Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen. Ausgangspunkt für den vorliegenden Bericht bildet die Angebots- und Strukturüberprüfung 2014 (ASP 2014). Der Regierungsrat hatte damals darauf verzichtet, dem Grossen Rat im Aufgabenfeld «Kirchen» Sparvorschläge zu unterbreiten, da er die Faktenlage noch als ungenügend beurteilte. Er nahm stattdessen in Aussicht, in einem Bericht an den Grossen Rat die finanziellen, rechtlichen, politischen und kirchlichen Konsequenzen darzustellen, die sich aus einer Änderung der Finanzierungsgrundlagen und aus einer Änderung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat ergeben könnten. Diese Absicht fand die Zustimmung des Grossen Rates.

 

Leitsätze zur Weiterentwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat im Kanton Bern

Der Regierungsrat schlägt folgende Leitsätze zur Weiterentwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat vor:

  1. Die Weiterentwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat erfolgt innerhalb des geltenden Verfassungsrechtes im Rahmen einer Totalrevision des Kirchengesetzes von 1945.
  2. Die Geistlichen werden von den Landeskirchen angestellt. Die Personaladministration wird den Landeskirchen übertragen.
  3. Die Aufnahme von Geistlichen in den Kirchendienst wird durch die Landeskirchen geregelt und abgewickelt. Der Kanton erlässt aufgrund der öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Landeskirchen gewisse Vorgaben.
  4. Die pfarramtliche Versorgung der Kirchgemeinden wird von den Landeskirchen festgelegt.
  5. Auf die Ablösung der historischen Rechtstitel wird verzichtet.
  6. Für die Finanzierung der Landeskirchen wird ein neues, zeitgemässes und verlässliches System ausgearbeitet, welches die historischen Ansprüche der Landeskirchen respektiert, aber auch den berechtigten Interessen des Kantons Rechnung trägt, indem es insbesondere dessen finanziellen Handlungsspielraum erweitert.
  7.  Bei den Kirchensteuern der juristischen Personen wird eine positive Zweckbindung eingeführt. In der Rechnungslegung der Kirchgemeinden wird die Mittelverwendung der Steuererträge der juristischen Personen transparent ausgewiesen.
  8. Auf die Ausarbeitung eines allgemeinen Anerkennungsgesetzes wird bis auf weiteres verzichtet. Anstelle von Anerkennungen sind andere Massnahmen zur Förderung von Religionsgemeinschaften, die gesellschaftlich relevante Leistungen erbringen, zu prüfen.

Mediendokumentation

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